Kunde: Evolver
Text: Konzertbericht The Mission (2008, deutsch)
Deliverance Now!
„Ich.“ – „Nein, ich!“ – „Aber sicher nicht, Hussinger, der Chef bin immer noch ich!“ – „Brauch dich eh nicht!“ – „Gut, schleich dich!“ – „Bin schon nimmer da.“ – „Tschüß mit ü, Baba und foi net!“
So oder so ähnlich muss der finale Dialog zwischen zwei sensiblen Rotzpippen im schönen Leeds der Achtzigerjahre abgelaufen sein, der zum Ende einer bis dahin sehr fruchtbaren musikalischen Zusammenarbeit geführt hat. Der eine begann dann mit dem Aufbau seiner Karriere als Fürst der Düsternis, was seiner Psyche und der seiner Anhängerschaft (der Sisterhood) nicht immer gut bekommen ist, der andere hat eine etwas zugänglichere Weltklasse Liveband gegründet. Heute geht es um den anderen, den Hussey Wayne und seine Partie, The Mission.
Mehr als zwanzig Jahre nach der Gründung gibt man jetzt also wieder mal das Ende von The Mission bekannt und tourt ein letztes Mal. Mission gaben Wien regelmäßig die Ehre, zuletzt vor etwas mehr als zwei Jahren in der bummvollen Szene. Weil! Mission machen gute Musik und zeigen zumeist pfiffige Auftritte.
Mit Bier und anlassbezogener Gewandung gab man sich also eine gute Dosis Deliverance in der Arena in Wien. Die Zielgruppe hat den Ruf des Wayne gehört und ist gekommen, allerdings nicht in den Massen, die notwendig gewesen wären, um den Saal zu füllen. Und wie’s so ist, drückt das die Stimmung leider ganz beträchtlich, wenn hinten das Licht grell blendet, ein kalter Wind den Nacken krault und auch der Sound den Scheitel nicht wirklich nachzieht.
Dennoch. Das ist die letzte Tour von The Mission, also Konzentration bitte: Enter verspielte Fanfaren (Dambusters). Enter Mission Band. Enter Wayne Hussey. Enter Posing vom Feinsten.
Und das Publikum, erstaunlich unstoisch, freute sich sichtlich über Wayne’s Idee, einen Haufen bekannter und ebenso beliebter Lieder gleich am Anfang zu spielen. Bandmeeting vorher: „Weißt was, wir spielen gleich amal alle ‚Carved In Sand’ (bestes Mission Album, Anm.) Hadern am Anfang“ – „Gute Idee, und dann?“ – „Schau ma mal.“ Die Idee war nicht sooo der Reißer. Nach dem zündenden Beginn mit wirklich guten Liedern wie ‚Amelia’, ‚Paradise Will Shine Like the Moon’ und ähnlichem war ein bisschen die Spannung draußen. Das Publikum holte sich Plastikbecherbier, steckte sich noch eine Smart an und grinste durch die Gegend.
Und doch. Wayne Hussey ist (und wird es vermutlich auch bleiben) ein großer Entertainer. Deswegen geht man auf Konzerte. Er war, und Umfragen bestätigen den Eindruck, stark von motivierenden Mittelchen beeinflusst und hat den Rockstar in Feinstform dargestellt. Es wurde links und rechts ins Publikum gescherzt, demonstrativ an der Weinflasche genuckelt und nicht nur einmal der Zeigefinger mit der international gültigen „You know who you are!“ Geste in den Zuschauerraum gestreckt. Und wer Lieder wie ‚Deliverance’ schreibt, bei denen erwachsene Menschen ihre Arme trotz drohender Gefahr einer Schulterluxation in Fußballstadionmanier Richtung Bühne werfen, kann nur ein Guter sein. (Kann es irgendwo einen schöneren Imperativ im Refrain geben? „Gib mir! Gib mir! Gib mir!! Erlösung!!! Bruder! Schwester!!“).
Deswegen war Herr Hussey irgendwie immer der sympathischere der zwei sensiblen Rockstarpippen. Einer, der sich Anfang der emotionslosen Neunzigerjahre für das Cover einer inzwischen längst verblichenen deutschen Musikpublikation im Micky-Maus Shirt ablichten hat lassen und auf der Bühne ein wenig an Alex Antonitsch erinnert. Beides ist in der Szene des dunklen Rock’n’Rolls anundfürsich ein absolutes No-No.
Entlassen hat uns The Mission mit ihrem Lieblingslied ‚Tower of Strength’ und dem beeindruckend dramatisch dargebrachten Liebkosen von Mikroständer, Gitarre, Bühnenanwesenden und dergleichen. Cheers Wayne, und Tschau mit au.